Just Stretching Won’t Save Your Neck

Wenn es um Verspannungen im Nacken oder Schulterschmerzen geht, denken viele zuerst an Dehnen oder Lockern der Muskulatur. Das ist ein guter Anfang. Für einen dauerhaft entspannten, mobilen und funktionalen Schulter-Nacken-Bereich braucht es jedoch mehr als nur Stretching. Für mich stehen daher diese vier zentralen Aspekte im Vordergrund, die ich so gut wie in jede meiner Klassen mit einfließen lasse:

1. Die richtige Atmung

Eine freie, funktionale Atmung entlastet deinen Schulter- und Nackenbereich maßgeblich. Unsere Hauptatemmuskeln – das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskulatur – brauchen Platz: im Bauch und Brustkorb. Doch viele von uns ziehen den Bauch dauerhaft ein – sei es aus Gewohnheit, aus ästhetischen Gründen oder durch Stress. Dadurch bleibt die Atmung flach und das Zwerchfell ist blockiert.

 

Was macht der Körper? Er sucht sich Hilfe – und zwar aus dem Schulter- und Nackenbereich. Genauer: von den sogenannten Atemhilfsmuskeln, etwa dem oberen Trapezmuskel oder den Skalenmuskeln. Die sind eigentlich nur für kurzfristige Unterstützung gedacht – zum Beispiel beim Sport oder unter Belastung. Werden sie dauerhaft beansprucht, verspannen sie. Aktiviere die Bauchatmung, lass den Bauch los und weite so den Atemraum. So entlastest du deine Schultern mit jedem Atemzug.

2. Stabilität der Schulterblätter 

Die Schulter ist das beweglichste Gelenk unseres Körpers – doch diese Beweglichkeit funktioniert nur, wenn das Schulterblatt gleichzeitig für ausreichend Stabilität sorgen kann. Dafür braucht es kräftige und aktive Muskeln auf der Rückseite des Körpers: den Serratus anterior, den Rhomboideus und Teile des Trapezius.

 

Vor allem im Yoga oder im funktionellen Training liegt der Fokus häufig zu stark auf der Vorderseite – beispielsweise durch Planks oder Chaturangas, die primär die Brustmuskulatur stärken. Wird dabei die Rückseite vernachlässigt, entsteht ein Ungleichgewicht. Ein stabil geführtes Schulterblatt ist entscheidend: Es gibt der Schulter Führung, Halt und damit Bewegungsfreiheit. Ist die muskuläre Balance gestört, drohen Verspannungen, Schmerzen oder langfristig sogar Gelenkabnutzung. Deshalb: Unbedingt auch die Rückseite stärken.

3. Kopfhaltung & Deep Neck Flexor

Viele von uns tragen ihren Kopf nicht dort, wo er eigentlich hingehört: mittig über der Wirbelsäule. Stattdessen schiebt er sich häufig nach vorne – sei es beim Blick aufs Handy, Laptop, aber beim Yoga. Dabei wiegt unser Kopf rund 5 kg – also so viel wie eine große Wassermelone. Und diese Masse belastet die Nackenmuskulatur, wenn sie nicht optimal ausbalanciert ist.

 

Die Lösung liegt in der Aktivierung der Deep Neck Flexors – tiefliegende Halsmuskeln, die den Kopf nahe an der Wirbelsäule führen. Du spürst sie, wenn du ein Doppelkinn machst und den Hinterkopf leicht nach hinten schiebst (als würdest du ihn an eine Wand lehnen). Diese kleine Bewegung hat große Wirkung: Über fasziale Verbindungen aktiviert sie die tiefe Bauchmuskulatur, den Serratus anterior und unterstützt deine aufrechte Haltung insgesamt. Wird der Deep Neck Flexor vernachlässigt, müssen oberflächliche Muskeln wie der obere Trapezius einspringen – und genau das führt zu Verspannung und Überlastung.

4. Bewegungsvielfalt – gegen einseitige Belastung

Die Schulter ist ein echtes Bewegungstalent – kaum ein Gelenk hat so viel Spielraum. Doch in der Realität nutzen wir davon oft nur einen Bruchteil. Ob im Alltag oder im Yoga: Viele Haltungen wiederholen sich, die Bewegungen bleiben einseitig.

 

„If you don’t use it, you lose it.“  Wird der Bewegungsspielraum nicht genutzt, baut der Körper Fähigkeiten ab – wir „rosten ein“, Muskeln verspannen, Gelenke verlieren an Mobilität. Sei also kreativ! Erkunde deine Schultern in alle Richtungen. Kreise, rotiere, zieh, schieb – auf ungewohnte, verspielte Weise. Dein Körper ist anpassungsfähig und robuster, als du denkst – auch kleine „Bewegungsfehler“ hält er locker aus. Aber einseitige Muster auf Dauer tun ihm nicht gut.