Kraft, Beweglichkeit und Koordination haben nicht immer nur mit ausreichend Training zu tun. Unser Nervensystem hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Bewegungsmöglichkeiten. Viele von uns kennen das: In bestimmten Bewegungen fühlt sich der Körper plötzlich unsicher an. Man wird steif, erschrickt, hält den Atem an oder bekommt schwitzige Hände. Solche Reaktionen sind typische Stresszeichen des Körpers. Die Ursache dafür liegt oft in alten Erfahrungen, die – bewusst oder unbewusst – im Nervensystem gespeichert sind. Unbewusst heißt: Man erinnert sich vielleicht nicht mehr an das ursprüngliche Erlebnis, aber der Körper reagiert trotzdem. Das Nervensystem hat die Erfahrung sehr wohl gespeichert – mit dem Ziel, dich in Zukunft zu schützen.
Ein Beispiel: Ein Kind stürzt kopfüber vom Klettergerüst. Jahre später erinnert sich die Person vielleicht nicht mehr an diesen Moment – aber in bestimmten Bewegungen, etwa beim Handstand, reagiert der Körper mit Unsicherheit oder Abwehr. Das Nervensystem erkennt das Muster wieder und fährt „vorsorglich“ das System herunter – zum Schutz. So gut diese Schutzfunktion gemeint ist – sie kann die Bewegungsfreiheit erheblich einschränken.
Auch ich habe diese körperlichen Unsicherheiten erlebt – und erlebe sie bis heute manchmal noch. Selbst wenn ich bewusst bereit bin, etwas Neues auszuprobieren – etwa beim Yoga oder Surfen – kann es sein, dass mein Körper plötzlich blockiert. Es fühlt sich an, als würde jemand im Hintergrund einen Not-Aus-Schalter drücken. Früher dachte ich, ich sei einfach nicht so beweglich oder mutig wie andere. Erst durch meine regelmäßige Yogapraxis habe ich ein besseres Gespür für meinen Körper und seine Reaktionen entwickelt. Durch das bewusste, langsame Bewegen konnte ich erkennen, in welchen Situationen mein Nervensystem auf „Alarm“ schaltet – und warum.
Als Yogalehrerin habe ich mich intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Bewegung und Nervensystem beschäftigt – unter anderem in Fortbildungen zu traumasensiblem Yoga und somatischer Arbeit. Und ja: Es ist möglich, mit gezielten Übungen das Nervensystem wieder zu beruhigen und diese automatischen Schutzmuster zu verändern. Was hilft und was ich in meinen Yogaklasse weitergebe:
SEI KREATIV & SPIELERISCH
Gewohnte Bewegungsmuster vermitteln Sicherheit - deshalb liebt das unser Nervensystem. Aber wenn du dich nur in bekannten Bahnen bewegst, reagiert es verstört, wenn etwas Neues dazu kommt. Das sehe ich übrigens häufig in Klassen, wenn ich ungewohnte Elemente nutze. Daher bringe gezielt kleine spielerische Elemente in deinen Alltag:
Beispiele:
- Steige beim Radfahren mal mit dem „ungewohnten“ Bein ab.
- Verändere im Yoga deine Übergänge bewusst.
- Schließe beim Spazieren für ein paar Schritte ein Auge – oder auch beide
- Erlaube dir beim Tanzen, einfach mal „komisch“ und anders zu sein.
Diese kleinen Experimente helfen deinem Nervensystem, neue Bewegungen nicht sofort als Gefahr zu bewerten.
ERLAUBE DIR, UNGESCHICKT ZU SEIN
Viele von uns – ich selbst eingeschlossen – haben große Angst vor Fehlern oder davor, sich weh zu tun. Aber nicht jeder Schmerz bedeutet Gefahr. Lerne, deinen Körper achtsam zu beobachten und zwischen Warnsignal und echter Verletzungsgefahr zu unterscheiden. Ein sensibles Nervensystem sendet auch gerne mal weit vor der möglichen Verletzung ein Schmerzsignal. Lerne diese Botschaften als normalen Teil von Bewegung zu akzeptieren, sie achtsam wahrzunehmen, aber nicht gleich zurückzuschrecken. Erlaube dir Grenzen auszutesten und deinem Nervensystem zu zeigen, dass es auch ungeschickten Bewegungen vertrauen kann und nicht gleich eine echte Verletzung folgt.
NUTZE DEINEN ATEM
Der Atem ist dein Schlüssel zur Regulation. In Momenten, in denen dein Körper Stresssymptome zeigt – z. B. im Kopfstand oder bei Bewegungen, die mit Fallen zu tun haben – hilft bewusster Atem enorm.
- Atme tief und ruhig in den Bauch ein.
- Und dann langsam und gleichmäßig wieder aus – idealerweise doppelt so lang wie die Einatmung.
Diese verlängerte Ausatmung aktiviert den parasympathischen Teil deines Nervensystems – den „Ruhe- und Regenerationsmodus“. So kann dein Körper sich entspannen und viel besser die neue Bewegung zulassen. Also das nächste mal, wenn du im Kopfstand bist und dein Körper plötzlich nicht mehr will, versuche tief und langsam zu atmen.
Es braucht natürlich Zeit, Geduld und bewusste Übung, um das eigene Nervensystem wieder in einen sicheren Zustand zu bringen. Aber es ist möglich. Und der Lohn ist groß: mehr Freiheit, mehr Vertrauen, mehr Lebendigkeit im eigenen Körper. Auch mein Körper reagiert heute noch in bestimmten Situationen mit Anspannung – aber er lernt immer weiter. Ich fühle mich deutlich sicherer und beweglicher als früher. Und dieses Wissen – aus Erfahrung und Ausbildung – gebe ich mit großer Freude weiter: in meinen Yogaklassen, Retreats und Coachings.
Wenn du ähnliche Erfahrungen gemacht hast oder noch ganz am Anfang stehst: Schreib mir gerne oder komm zu einer meiner Klassen. Ich freue mich auf den Austausch mit dir!